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(Gedanken zum Stadionbau und zur RWE-Fankonferenz von Schwalbenalfred)

Im Jahre 2027 werde ich mit meiner Gitarre durch die Welt reisen und mit leidenschaftlichen Versen mein altes Georg-Melches-Stadion besingen.
 

Heute befinden wir uns in einer demütig dankbaren, kollektiven Vorfreudehysterie auf „unsere“ neue Spielstätte. Sie ist leuchtendes Symbol einer positiven Zukunft. Große Hoffnungen werden genährt. Mögen sie erfüllt werden.

Ein rot-weißes Flair soll es haben, das neue Stadion für Essen, eine einladende Atmosphäre soll geschaffen werden. Ein bisschen modern, ein bisschen typisch für Essen, ein bisschen Frieden, ein bißchen Freude, hupps, da gerate ich doch glatt in einen falschen Singsang.  

Das neue Stadion soll sich neuen Besuchergruppen öffnen. All denen, die vorab aus Angst vor Prügel, Infektionskrankheiten oder Prolethophobie den Besuch scheuten, präsentiert man demnächst ein adäquates Wohlfühlterrain. Böse Zungen behaupten, dass bereits Nobel-Tagesausflüge für Reiche mit Asi-Viewing (wahlweise per Fernglas oder live auf dem Riesen-Flatbildschirm in der Business-Löunge) geplant werden.
Das Aktionspaket „Proll & Pommery- genießen Sie bei Hummer & more in Echtzeit das Pommes-Prekariat- entspannt und sicher“ für die neue Fußball-Generation mit Action-Zusatzpaket „Einmal das Ursprüngliche erleben, einmal am Ultra-Aborigini riechen“ soll weitere Kohle in die Ex-Bergbauregion spülen. Herrlich. Aber Halt. Male ich hier nicht ein wenig zu rosarotweiß? Das geht doch nicht.  

Genauso wenig wie Schwarzmalerei. Wo kämen wir da denn hin? Stell dir mal vor, dass das alles gar nicht so werden wird, sondern ganz, ganz anders. Stell dir mal vor, dass der Wunsch nach rot-weißen Sitzschalen nicht erfüllt wird. Damit könnten wir doch leben, oder? Hmmm… Blaue und schwarze Sitzschalen? Hallo? Es ist ja schließlich ein Stadion für Essen und mitnichten eins für RWE. Ein Stadion nicht nur für heute, sondern für die nächsten Jahrzehnte, in denen vielleicht 2017 der „VfL Schwarz-Weiß-Blau Bergebeckscheid 08/15“ spielen könnte. Warum auch nicht? Schließlich spielt der ja im Jahre 2017 eine Liga über RWE. Hooooh, was für eine Schwarzmalerei (natürlich nicht für den VfL Blablabla 08/15).  

Asche auf mein Schwarzmalerhaupt. Wie kann ich nur? Muss ich mich doch nicht wundern, wenn da einer auf der Fankonferenz die „Traditionsbesessenen“ für nervig hält. Ewig dieses Gesülze über„die guten alten Zeiten“. Früher war schließlich auch Scheiße. Diese Rückwärts-Glotzer sind doch Bremser. Ist doch klar, dass die Zukunftsbesessenen, äh, Zukunftsorientierten neue blühende Landschaften sehen wollen. Am Besten , und so hörte man es auf der Fankonferenz, „asifrei“ und „frei von Nörgeloppas mit dem VonFrüherErzählGen“. Und dass da bloß keiner mehr auf den Zaun geht. Weg mit den Zaun-Asis und Asbach-Uralt-Oppas. Lieber mal mit Patentante Ulla ins amüsante, emotionsfreie und Verstandesgeleitete Fußball-Phantasieland. Und am neuen „Family Food Point“ ein Stückchen lecker Frankfurter Kranz und Latte Macchiato genießen. Und fällt ein Tor, geht Tante Ulla ab wie einst Merkel im Olympiastadion. Halt. Jetzt mal nicht unken. Nicht schwarz malen oder sarkastisch werden. Das bringt doch nichts.

Selbst Doc Welling proklamierte auf der Fankonferenz, dass „ein bisschen asi“ doch schön sei. Doc sei Dank. Da ist einer, der versucht, das Mögliche für RWE zu erreichen. Mit Blick in die Zukunft, die auf gutem Fundament stehen soll.  

Da komme ich glatt ins Träumen und freue mich. RWE irgendwann grundsolide in der 3. Liga, der 2. Liga… und dann…juppheidi…. Das wäre schön.

Und doch und doch und doch: Ich werde immer wieder zurück blicken. Und zwar gerne. Diese Typen, die meinen, dass alte Zöpfe abgeschnitten werden müssen, diese Typen können mich mal. Jetzt stehen sie da und lachen über die Idee, die GMS-Haupttribüne zu erhalten. „GMS war früher, heute ist neues Stadion angesagt. Punkt!“ Und sie lassen sich wie die Lämmer Wasser auf die Mühlen kippen von denen, die aus der Hüfte geschossen sagen „Geht nicht. Basta!“  

Geht nicht? Dann muss sich ja auch keiner mehr wundern, wenn ich 2027 mit meiner Gitarre durch die Welt ziehe und leidenschaftliche Verse über mein GMS singe. Die Welt wird das nämlich interessieren, weil sie von enorm spannenden Geschichten in den Bann gezogen werden. Dort hinreisen würde sich für sie ja nicht lohnen. Wäre ja so, als im Rüttenscheider EON-Tower zu stehen und sich anhören, dass hier mal legendäre Sportveranstaltungen stattgefunden haben. Die Wirkung: baldrianös. So etwas erreicht nicht das Herz.  

Nun gibt es aber ein Totschlagargument gegen den Erhalt der Haupttribüne: „Ohne Moos nix los und Moos haben wir nicht. Aus die Maus.“ Ok. Ich fasse zusammen: Es gibt kein Geld. Oder besser: Es gibt kein Geld mehr. Nirgendwo. Das ist doch bekloppt.  

Malen wir mal wieder rosarotweiß: Stellen wir uns mal vor, es gäbe irgendwo auf dieser Welt Geld. Sagen wir mal in Europa. Heissa, die Gedanken gehen mit mir durch. Ich sehe da am Horizont Sponsoren einer neuen Generation und einen Batzen Euros aus EU-Fördertöpfen. Und ich sehe ein Projekt, das es verdient hat, in allen Medien als innovativ bezeichnet zu werden. Alles andere soll es sein als das einmalige, langweilige Abfeiern in den Gazetten mit dem Titel „Essen eröffnet neues Stadion“. Weit gefehlt.  

Ich alter Zaunbesteiger-Gutfinder mit Traditionsaffinität habe eine andere Vision. Und klemmt euch jetzt den Satz, dass man mit Visionen mal besser zum Arzt gehen sollte. Ich sehe, sagen wir mal 4 Sponsoren, die sich einigen (Dramapause…..und jetzt festhalten….), das neue Stadion „Georg Melches Stadion“ zu nennen.
In der Werbung heißt es
Georg Melches Stadion
GEMEINSAM MEHR SCHAFFEN
sponsored by Sparkasse Essen, Thyssen Krupp, Heinrich Hassenichgesehen & noch einer  

Wie Marketingfachleute behaupten, geht es ja auch immer um Innovation, um neue Ideen. Bitteschön, hier ist sie. Eine Außendarstellung mal nicht mit dem Hammer, sondern sanft, aber überzeugend. Mal ehrlich, große Unternehmen engagieren sich finanziell jeher leise bei diversen Organisationen. Warum nicht mal halblaut im Fußball? Aber das geht wohl zu weit hinaus über das in unserer Stadt seit Ewigkeiten verwurzelte „Mittelmäßigkeitsdenken“.  

„Hahahaha“, höre ich jetzt einige lachen, „der Alfred hat doch einen am Zylinder, der läuft doch nicht ganz rund und vom modernen Fußball hat der soviel Ahnung wie Calmund vom Ballett.“ Ist mir wurscht. Ich trage auch noch die alte Uhr von meinem Opa. Und die funktioniert seit Jahrzehnten einwandfrei. Und solange keine neue Zeitrechnung eingeführt wird, wird sich daran auch nichts ändern.  

Zurück zu meiner Sponsoren-Quadriga. Aufgepasst, jetzt drehe ich auf (oder wie der ein oder andere sagt „durch“): Diese Sponsoren beteiligen sich auch an der Erhaltung der Haupttribüne. Dort gibt es dann das „Büro für soziale Stadtteilarbeit sponsored by Sparkasse Essen“, das „RWE-Museum sponsored by Thyssen-Krupp“, die „7 Tage Stadionkultkneipe für Vips’s (Very Important Prolls)“, das „AWO-Fanprojekt“ und „Lothars Hütte sponsored by Zaunbesteiger & Akzeptierern“. Und der Lothar führt dann die Besuchergruppen, die laut EMG seit dem Kulturhauptstadl in Scharen kommen, durch die gesamte Tribünenvielfalt. Mann, was könnte da los sein…

(Anmerkung am Rande: Wer Räume für ein Fanprojekt nicht mit in die Planung mit einbezieht, sollte sich vielleicht als Berater der Bundesregierung bewerben. Mit diesem Denken könnte er für Deutschland viel Geld sparen. Zum Beispiel beim gesamten Security-Personal. Oder ist bis heute Frau Merkel oder ein anderes MdB erschossen worden? Nicht? Also weg damit.)  

Aber das mit dem Tribünenerhalt geht ja nicht, sagt beispielsweise Herr Hillebrand von der GVE. Die Renovierung kostet 5 Millionen, der Abriss der ganzen Rest-GMS-Hütte 2 Millionen. Der Mann ist gut. Selten von der Verwaltung so schnell „haltbare“ Zahlen präsentiert bekommen. Ach ja, und es ginge ja auch nicht, weil ein Hügel gebaut wird. Da würde die Haupttribüne von ein paar Metern Erde bedeckt sein. Ach ja, noch was: Strom und Wasser gäbe es auch nicht mehr. Wird abgeknipst. Ja wat denn nun? Was wäre, wenn man einfach keinen Hügel baut? Was wäre, wenn man bestehende Leitungen bestehen lässt? Was wäre, wenn ein Statiker sagt, dass die Renovierung doch nur 3,1907 Millionen Euro kosten würde? Gäbe es da Wege? Fehlt hier ein Wille? Fragen über Fragen. Und wenn man einmal anfängt, kann man gar nicht mehr aufhören. Gibt es eigentlich bereits auch Gespräche mit anderen Vereinen? Müsste ja eigentlich so sein. Kann ja nicht angehen, dass die Verantwortlichen des Projektes „Stadion für Essen“ nur die Ergebnisse einer RWE-Fankonferenz in die Planung mit einbeziehen. Gibt es bald auch eine SG Schönebeck-Fankonferenz mit der GVE oder eine mit dem ETB?

Alles in allem: Schwierig!  

Es war unterm Strich eine nette Fankonferenz. Aber wir wissen ja, wer die große Schwester von „nett“ ist. Der gute alte Spruch „Tradition bewahren heißt nicht, Asche aufbewahren, sondern eine Flamme am Brennen zu halten!“ (frei nach Jean Jaurés) geht mir in diesen Tagen immer wieder durch den Kopf. Wird hier eine Flamme weiter brennen oder legen wir nur ein bisschen Asche ins und rund ums neue Stadion?    

Rot-Weiss Essen, bald 105 Jahre alt. 56 Jahre älter als die Bundesliga. 1945 begannen freiwillige Helfer mit Schippe und Hacke ein zerstörtes Stadion aufzubauen. Gefühle und Tradition spielten schon damals eine große Rolle. Heute muss man aufpassen, dass einem das nicht als negative Attribute um die Ohren gehauen wird.  

"Für viele zählten nur vier Dinge: Der Pütt, am Sonntag das Kotelett inne Pfanne, die Brieftauben und RWE.", so zitiert man Georg Melches. Und wie ist es heute?
Die einen sagen:
„Erst wenn der letzte GMS-Stein fällt,
die VIP-Lounges vermietet,
die letzte Ulrich-Wurst gegessen ist,
werdet ihr feststellen,
dass Champagner keine Tore schießt.“  

Und die anderen:
„RWE war wer, ist wer, bleibt wer!“  

Ich sach: In Idar-Oberstein punkten wir!


Schwalbenalfred
(am 19. 11. 2011)